Einführende Gedanken

Wer heute in einem modernen Verkehrsflugzeug fliegt, spürt eigentlich nicht viel vom Fliegen. Moderne Flugzeuge mit komfortablen Sitzreihen, Bordbar und Filmvorführung, sehen innen eher aus wie gigantische Omnibusse. Die Passagiere reisen mit dem Flugzeug, dass sie sich durch die Luft be­wegen, ist fast Nebensache und der gute Service lasst das Fliegen oft völlig vergessen. Auch der Kapitän eines solchen Jumbos ist im ursprüng­lichen Sinne kein Flieger mehr. Er überwacht über­wiegend nur noch Instrumente und Computerda­ten, genauso wie es Leute in einer Steuerzentrale am Boden tun.

Das einmalige Gefühl, zu fliegen wie ein Vogel, sich mit eigener körperlicher Geschicklichkeit in der Luft zu bewegen, hat man im Flugzeug nicht. Dabei ist es gerade das, wovon Menschen seit Jahrtausenden träumen.

Diesen Traum vom Vogelmenschen hat das Dra­chenfliegen wahr werden lassen. Mit einem Mini­mum an Aufwand, einem Bündel Aluminiumrohre, ein paar Stahlseilen und etwa 15 Quadratmeter Segeltuch, alles zusammen vielleicht 25 bis 40 Kilo­gramm schwer, schwebt man durch die Luft, frei, allein, den Wind auf der Haut spürend. Man betrachtet die Erde, die Landschaft, die Menschen plötzlich aus einer Perspektive, die man nie zuvor kannte. Und dieses fast schwerelose Gleiten hoch über der Erde mit Flügeln, die beinahe wie ange­wachsen scheinen, ist ein Erlebnis, wie man es wohl auf keine andere Weise im Leben bekommt.

Geschichtlicher Rückblick


1974 trafen sich die Drachenflugpioniere des südwestdeutschen Raumes am Hohen Karpfen und gründeten eine Interessengemeinschaft Drachen­flug. Die Vertreter der Gemeinde Hausen o.V. waren damals dem neuen Flugsport gegenüber sehr posi­tiv eingestellt und unterstützten die Drachenflugbe­geisterten bei der Genehmigung durch das Regierungspräsidium Freiburg zum Befliegen des Hohen Karpfens. Im Frühjahr 1976 bedankten sich die Flieger mit einer großen Flugschau, zu der damals nahezu 10.000 Besucher kamen, um die laut-Pres­seberichten „Riesenfledermäuse vom Karpfen schweben zu sehen“.

Die Gemeinde Spaichingen zeigte sich, trotz erheblicher Bedenken aus der Bevölkerung, für den neuen Sport aufgeschlossen, so dass 1976 das Fluggelände am Dreifaltigkeitsberg zugelassen und der Drachenfliegerverein Spaichingen e.V gegrün­det werden konnte.

Die Weiterentwicklung der Hängegleiter war in den vergangenen Jahren bezüglich Leistung und Si­cherheit enorm, so mussten die Pioniere am Dreifaltigkeitsberg noch sitzend fliegend, fast die Beine anziehen, um über die letzten Baumwipfel fliegenend zum Landeplatz an der Bleiche zu gelangen. Heute kann man bei günstigen Wind- und Wetterverhält­nissen nicht nur stundenlang fliegen, sondern auch weit über die Baar und den Schwarzwald oder die Schwäbische Alb segeln und nicht selten 2000 m über dem Start die herrliche Ruhe und die grandio­se Aussicht genießen. Der längste Flug dauerte 7 Stunden und 20 Minuten und die größte zurückgelegte Strecke führte bis kurz vor Ingolstadt etwa 180 km weit.

Leider haben sich in den vergange­nen Jahren die Wetterverhältnisse derart verändert, dass am Dreifaltigkeitsberg nur noch relativ selten gestartet werden kann, die typischen Schönwet­terlagen bringen für den Startplatz am Berg größtenteils Rückenwind und erlauben somit für den Drachen keinen sicheren Start mehr.

Aus diesem Grund wurde, wenn auch mit großen Schwierigkei­ten und einschränkenden Auflagen seitens der Stadt, 1998 der Zundel berg als Fluggelände zuge­lassen.

Seit 1982 besitzt der Verein, als einer der ersten in Deutschland, eine eigene Schleppwinde und betrieb den Hängegleiter­schlepp jeweils mit dem Einverständnis der Gelände­eigentümer auf wechselnden Geländen. Da sich die gesetzlichen Bestimmungen änderten, war der Flugbetrieb nur noch auf einem zugelassenen Flug­platz möglich. Hier zeigte die Gemeinde Böttingen ihr Herz für die Drachenflieger und ermöglichte die Genehmigung eines Sonderlandeplatzes auf Böt­tinger Gemarkung.

Von Anfang an wurde im Verein eigenständig aus­gebildet, wobei die Schulung traditionell auf hohem Niveau stattfindet. Garant hierfür ist die vereins­eigene Flugschule, die nach den Richtlinien des Deutschen Hängegleiterverbandes ausbildet und dabei großes Ansehen genießt. Für die verschiede­nen Ausbildungsabschnitte stehen dem Verein neben mehreren eigenen Schulungsgeraten einschließlich einem Doppelsitzer auch geeignete Schulungsgelände am Hohen Karpfen, Dreifaltig­keitsberg, Zundelberg, Böttingen und bei Balgheim zur Verfügung.

Der klei­ne, rührige Verein ist am Kultur- und Vereinsleben der Primstadt immer aktiv beteiligt. Die kulinarischen Leckerbissen, die u.a. bei verschiedenen Märkten angeboten werden, sind weit über die Stadtgren­zen hinaus bekannt und beliebt.

Auch an Fasnets­umzügen machte der Verein immer wieder mit und sorgte unter den Themen wie z. B. ,Wir lassen unsere (Haus-) Drachen steigen“, ,Schneider von Ulm“, ,D’Engel vom Berg sind bei euch g’landet“, ,,20 Jahre Drachenbrut“ oder „Die tollkühnen Männer mit ihren fliegenden Kisten“ für Hohepunkte beim Umzug. Bei besonde­ren Anlassen wie dem Familienfest und Stadtjubi­läen engagierten sich die Flieger ebenso wie bei der‘ Pflege der Partnerschaft mit Sallanches. Während der noch kurzen Vereinsgeschichte veran­staltete der Verein im Rahmen von mehrtägigen Festen an der Bleiche oder auf dem Michelfeld gro­ße Flugsportdarbietungen, zu denen tausende von flugsportbegeisterten Zuschauern kamen.

Dank der Unterstützung der Stadt Spaichingen und dem großen Engagement beim Bau durch die Mit­glieder, steht dem Verein seit 1994 eine große Lagerhalle zur Verfügung, in der sämtliche Vereins­geräte, die Winde, seit letztem Jahr eine moderne Doppeltrommelwinde einschließlich Startwagen, das Fahrzeug zur Aufnahme der Winde, Fluggerate von Mitgliedern usw. untergebracht werden können.

Fast schon wie selbstverständlich ist der Startplatz am Dreifaltigkeitsberg, an der Hauptwanderroute des Albvereins gelegen, zu einem beliebten Aus­sichtspunkt geworden. Zum Selbstverständnis der nach heutigem Stand 88 Vereinsmitglieder gehören auch ein pfleglicher Umgang mit der Natur und eine in den Jahren gewachsene gute Zusammen­arbeit mit den Geländeeigentümern, Behörden, Umweltverbanden und den Landwirten. Sehr erfreu­lich ist, dass der Drachenfliegerverein während der ganzen Zeit von vielen Freunden und Gönnern begleitet wurde – auch für die Zukunft ist diese Unterstützung von besonderer Wichtigkeit, dass der faszinierende Hängegleitersport in Harmonie mit den Kräften der Natur weiter bestehen kann.